Die Bewegung gegen die Startbahn West
Wie alles anfing ...

Noch Ende der 20er Jahre war, außer ein paar Ausflugslokalen und Chausseen, der Frankfurter Stadtwald ein geschlossenes Waldgebiet. Der berühmt Berüchtigte „Autobahnbau", der 1934 seinen ersten Spatenstich im Stadtwald erfuhr, sollte mit dem Kleeblatt der Standortfaktor für erste Flughafengebäude werden. In verschiedenen Ausbauschritten holzten die Flughafenbetreiber Hektar für Hektar aus dem einst geschlossenen Wald. Nationalsozialistische Kriegspläne und später die Berlinblockade (Luftbrücke) dienten als Argumente für mehr Gelände, Pisten und Gebäude im Wald. Daß von April bis Oktober 1944 mehrere hundert Frauen aus dem KZ Struthof (Elsaß) zwangsweise mithalfen, die Pisten zu bauen, wird heute gerne von den Verantwortlichen verschwiegen. Die Frauen waren am Rande Walldorfs untergebracht, nur wenige hundert Meter von der heutigen US Airbase entfernt. Ein Gedenkstein markiert heute diese Stelle (Gedenkstätte KZ Walldorf).

Aus: „Keine Startbahn West", Argumente, Bilder und Berichte Herausgeber Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Frankfurt am Main Verlag 2000


Erweitern, Erweitern, Erweitern...
Die Anfang der 60er Jahre erstellten Pläne zur Flughafenerweiterung reihen sich in frühere Expansionen des Flughafens ein. Das Gelände der FAG schob sich immer mehr nach Westen und Südwesten, da die Autobahnen im Norden und Osten Grenzen bilden. In einer Zeit ungebremster wirtschaftlicher „Erfolge" und steigender Passagierzahlen plante die FAG das neue Terminal (damals: „Empfangsanlage West" genannt), die Verlängerungen der Nord- und Südpisten und die Startbahn West. Auf die Erweiterungspläne für neue Fracht- und Wartungshallen werden wir später noch eingehen. Die Pläne kamen 1964 auf den Tisch, und ein Briefwechsel zwischen dem Mörfelder Gemeindepfarrer Kurt Oeser und dem damaligen Hess. Ministerpräsident Dr. Georg August Zinn, sind die ersten Dokumente eines Widerstandes (nachzulesen in: Oeser, K. Startbahn West . . . in „Ökologische Zwischenbilanz", Frankfurter Hefte Nr. 3, Ffm 19 81, S. 115 ff.) Die Argumente von Oeser sind zum Teil noch heute die Forderungen gegen die gigantischen Erweiterungspläne der sechziger Jahre.

Interessengemeinschaft gegen Fluglärm e. V.
Kurt Oeser rief 1965, Jahre bevor Bürgerinitiativen gegen die verschiedensten Projekte und Planungen entstanden, dazu auf, als Gemeinschaft der Fluglärmgeschädigten gegen die Pläne zu opponieren.
Die „Interessengemeinschaft gegen Fluglärm" hatte bei der Gründung 38 Mitglieder und sollte auch bis heute nicht größer werden. Entscheidend waren die Einsprüche gegen die Pläne der FAG, die zu einer langen Kette von Gerichtsverfahren wurden. Keiner der damaligen Kläger hat wohl damals Überschauen können, daß die Einsprüche so wirkungsvoll sein sollten. Da das rechtliche Verfahren an anderer Stelle in diesem Buch behandelt wird, möchten wir nur darauf hinweisen, daß ohne die damaligen rechtlichen Schritte der Einzelkläger die Startbahn West schon Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre gebaut worden wäre. Die Klagen sind heute noch nicht abgeschlossen, die Kosten für die betroffenen Personen mittlerweile bei über DM 25 000 angelangt. Das Interview mit dem langjährigen Schriftführer der Interessengemeinschaft, Herr H. Bauer aus Kelsterbach, gibt auch Aufschluß über ihre Arbeitsweise und Zielsetzung.

Interview (14.6.81 in Kelsterbach)

BI: Herr Bauer, erinnern Sie sich noch, wann und wie Sie zum ersten Mal von der geplanten Flughafenerweiterung und Startbahn West gehört haben?
Bauer: Ich war damals (1965) in Kelsterbach kurzfristig in eine Wählergemeinschaft, die sich später zu einem FDP Ortsverband entwickelte. Ich war in dieser Zeit auch FDP-Mitglied und in dieser Mitgliedschaft in Kelsterbach interessierte ich mich für Natur und Umweltschutz. Ich bin dem Aufruf und den Veröffentlichungen von Pfarrer Oeser gefolgt und habe mit anderen zusammen die „Interessengemeinschaft gegen Fluglärm" gegründet.
BI: Was bewog Sie damals, der „Interessengemeinschaft" beizutreten ?
Bauer: Weil die Situation, nachdem die Pläne bekannt waren, den Flughafen nach Westen und Südwesten zu erweitern, so war, daß man keine andere Möglichkeit gesehen hat, sonst irgendwie mit dem Flughafen ins Gespräch zu kommen, um die Pläne aus der Sicht der Bürger zu behandeln. Die zentrale Figur war Herr Oeser, weil sonst keiner in der Lage war, die Probleme zu artikulieren. Mein Informationsstand, meine Kenntnisse haben mich erschrecken lassen, was in meiner Heimat geschieht. Es hat auch einen sehr persönlichen Grund gegeben, mich gegen die Pläne zu wehren. Durch meinen Außendienst habe ich nicht sonntags auch noch wegfahren wollen, sondern wollte mit meiner Familie in der nächsten Umgebung spazierengehen oder Fahrrad fahren. Durch die Pläne wäre der Radius meiner Ausflüge wesentlich eingeschränkt gewesen. Ich dachte damals daran, mein Haus und Grundstück zu verkaufen. Inzwischen sind die Kosten für Benzin so sehr gestiegen, daß sich viele Leute überlegen müssen, ob sie sonntags mit dem Auto fahren können. Damit haben die Naherholungsgebiete heute eine weit wichtigere Bedeutung, als ich es vor 12 Jahren schon gesehen habe.
BI: An welchen Aktionen der „Interessengemeinschaft" haben Sie teilgenommen?
Bauer: Es fing eigentlich nach der Gründung damit an, daß wir versuchten, mit der Leitung des Flughafens ins Gespräch zu kommen und in Verhandlungen die Interessen der Bürger besser zu vertreten. Es waren in der Zeit eine Reihe von Verhandlungen zwischen der „Interessengemeinschaft gegen Fluglärm" und dem Flughafen, wobei der Flughafen immer gesprächsbereit war. Wir wurden zu Gesprächen und Essen eingeladen, aber in der Sache war der Flughafen unveränderlich hart und kompromißlos in dem Ziel, die Erweiterung~ durchzusetzen. Das hat dann zum Abbruch der Gespräche geführt. Wir erkannten die Sinnlosigkeit. Hier in Kelsterbach sind nach meiner Kenntnis keine Aktionen der „Interessengemeinschaft" gewesen. Meist erschienen Artikel in Zeitungen.
BI: Wie groß war die „Interessengemeinschaft"?
Bauer: Bei der Gründung waren es 38 Personen. Bis heute hat sich an dieser Zahl wenig verändert. Bei Versammlungen kommen etwa 20 - 50 Menschen.
BI: Wie häufig trafen Sie sich?
Bauer: Im ersten Jahr 5 - 6 mal. Jetzt ist die Interessengemeinschaft fast ganz tot. Zwischen 1970 - 1978 waren wenig Aktionen. Es beschränkte sich die Arbeit auf die Abwicklung der Folgen der Klagen gegen die Flughafenerweiterung. Flugblätter wurden nicht gedruckt und Stellungnahmen gab die Interessengemeinschaft in den letzten Jahren auch wenige ab.
BI: Wie war die Resonanz ihres Engagements in der Interessengemeinschaft in Ihrem Bekanntenkreis oder an der Arbeitsstelle?
Bauer: Ja, die Resonanz war nicht sehr groß. In meinem privaten Bereich schon, bei Freunden. Es hat in der „Interessengemeinschaft" keine Möglichkeit einer Massenbewegung gegeben. Dies war auch damals nicht das Ziel.
BI: Und die Resonanz in der Presse?
Bauer: Die war weit schwächer wie heute. Artikel oder Reportagen waren klein, selten im Grunde, im Vergleich zu heute.
BI: Und Reaktionen in den Parteien?
Bauer: Ich war damals in der FDP und hatte mit dem Kreis- und Landesverband kaum Kontakt gehabt. Als Karry in die Koalition mit der SPD ging, bin ich, auch aus anderen Gründen, aus der FDP ausgetreten und seither parteilos.
BI: Wie stehen Sie heute zur Auseinandersetzung um die Startbahn West?
Bauer: Ich engagiere mich heute, indem ich bei den großen Demonstrationen dabei war und am Auto einen Aufkleber habe In der Freizeit trage ich die Plakette. Es stören mich an der heutigen Bürgerinitiative, daß dort auch Kommunisten mitarbeiten, die u. a. zu Angriffspunkten für die Befürworter des Ausbaues und in der Bevölkerung werden. Das ist der Grund, daß ich mich nicht so stark mit der BI identifiziere, aber ich unterstütze das Volksbegehren mit der Unterschrift und einer Spende, aber ansonsten sind dann alle, außer den rechtlichen Mitteln, für mich ausgeschlossen. Gewalt ist tabu für mich. Zaunpfosten absägen ist der Anfang davon.
BI: Herr Bauer, wir danken Ihnen für das Gespräch. Während die „Interessengemeinschaft gegen Fluglärm" heute nur 35 Mitglieder zählt, war die Zahl derer, die schon im ersten Planfeststellungsverfahren (1968) Einspruch gegen die FAG Erweiterungspläne erhoben haben, enorm groß: 4000 Bürger widersetzten sich den Planungen.
Zu diesem Zeitpunkt war der Begriff „Umweltschutz" noch nicht zu einer Modefloskel der Politiker geworden. Die Menschen erkannten, entgegen allen FAG-Behauptungen in letzter Zeit, schon damals, was auf sie zukam. Aber nicht die Einwendungen der Bürger, sondern ein Verfahrensfehler hob den damaligen Beschluß auf. Der 2. Planfeststellungsbeschluß 1971 verdoppelte die Zahl der Menschen gegen den Planungsirrsinn 9000 Bürger des Umlandes unterschrieben gegen diesen zweiten Versuch, die Flughafenerweiterung durchzuziehen Hier ging es sowohl um die Startbahn West als auch um die Verringerung der bestehenden Nord- und Südbahn. In den Jahren 197178 kam es zu verschiedenen Gerichtsurteilen und „Rechtswegen", die an anderer Stelle im Buch näher behandelt sind. Diese Zeit nutzte die FAG jedoch, ihre Pläne auf anderen Ebenen durchzubringen bzw. Vorbereitungen für die Erweiterung zu treffen.
Im wesentlichen arbeiteten FAG und Landesregierung bei zwei „Maßnahmen" Hand in Hand:
1. bei der Gebietsreform vom 1.1. 77 und
2. dem Nacht- und Nebel-Waldverkauf (303 Hektar) 1978.
Die Gebietsreform in Hessen führte zu neuen politischen Grenzen, d. h. die Grenzen zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen wurden neu bestimmt nach Vorstellungen der Landesregierung! Viele Ortschaften und Städte wurden zwangsweise zusammengelegt, für die Bürger entstanden neue Kosten und weite Wege. Rund um den Flughafen verhalf die Landesregierung mit „Grenzkorrekturen" der FAG zu mehr Machtfülle und Gelände. Bis zur „Reform" gehörte das Flughafengelände zu verschiedenen Landkreisen. Ein Teil gehörte Frankfurt, eine Ecke zum Landkreis Offenbach, die Rollbahnen überwiegend zum Kreis Groß- Gerau. Diese Machtverteilung wurde „reformiert". Seit dem 1.1.1977 gehört das gesamte FAG Gelände zum Bereich der Stadt Frankfurt, die ja bekanntlich auch einer der drei Aktionäre der FAG ist. Einen weiteren Dienst erwies die SPD Landesregierung der FAG mit einer Nacht- und Nebel-Aktion im Herbst 1978. Klammheimlich verkaufte das Land Hessen den Wald seiner Bürger. Im südwestlichen Bereich des Flughafens eignete sich die FAG 303 Hektar Mischwald an, angeblich zur Verwirklichung der seinerzeit genehmigten Bahnenverlängerung. Die in den Geburtswehen befindliche „Bürgerinitiative" wies jedoch schnell nach, daß viele Hektar (ca. 150 ha) Land für die Startbahn West verkauft worden waren. Wochen später kreischten die Motorsägen . . . Das in den letzten Jahren von Seiten des Flughafens immer wiederholte Argument, man werde für die Waldverluste Ersatzaufforstungen durchführen, ist bis heute ein Täuschungsmanöver geblieben. Allein für das Terminal (Fertigstellung 1971), die Erweiterung der Lufthansabasis, Parkhäuser, Parkplätze, Straßen, Brücken und das neue Frachtzentrum wurden in den letzten 12 Jahren über hundert Hektar abgeholzt, ohne das nur erkennbare Wiederaufforstungen entstanden wären. Die jetzt fälligen Ersatzflächen für die Startbahnverlängerungen kommen noch hinzu. Doch geschehen ist so gut wie nichts. Man addiert Buschflächen an Autobahnrändern zu Hektar Wald, man schob die Schuld auf Städte und Gemeinden, die angeblich kein Gelände angeboten hätten und so weiter. . .
Es wäre an der Zeit, Zwangsenteignungen zur Wiederaufforstung bei der FAG vorzunehmen, nur für diesen Zweck geschieht nichts „im Namen des Volkes!"

Die Entwicklung spitzt sich zu (1978...)
Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin, die Verlängerung des bestehenden Bahnsystems zuzulassen und abgetrennt davon, die Startbahn West erneut in Kassel zu verhandeln, begann die „heiße Phase" der Auseinandersetzung. Erneut war es Kurt Oeser aus Mörfelden, der verschiedene Interessierte zu Gesprächen über Möglichkeiten des Widerstands gegen die Realisierung der FAG-Pläne einlud. Nach wenigen Treffen im Herbst 1978 entwickelte sich die „Aktionsgemeinschaft gegen die Flughafenerweiterung". Am 20. Januar 1978 bildete sich die überregionale „Aktionsgemeinschaft", die später „Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Frankfurt am Main" heißen sollte. Einer der ersten Beschlüsse: ein gemeinsames Flugblatt an die Bevölkerung im Kreis Groß-Gerau. Die FAG hatte gerade die Holzfällarbeiten für die Verlängerung der Südbahn anlaufen lassen, als die Aktionsgemeinschaft einen Spaziergang durch diesen Wald unternahm. Ein Teilnehmer aus Mörfelden wurde angezeigt: diese „Begehung" sei illegal! Eine der Hauptaktivitäten bis zur ersten großen Demonstration waren Informationsstände in verschiedenen Gemeinden des Flughafenumlandes und im Mönchbruch an den Wochenenden. Zum „Osterspaziergang" (16.4.79) im Mönchbruch kamen über 3000 Menschen. Ein Platzregen störte die Demonstranten wenig, sie marschieren bis zum südlichen Ende der geplanten Startbahn West. Dies sollte jedoch nur der Auftakt sein. Nur knapp vier Wochen später erreichten es die Ortsgruppen, daß über 4000 Menschen ihrem Aufruf zur „Großdemonstration auf der Düne" (6.5.79) folgten. Redner bei dieser Kundgebung auf einem frischgerodeten Gelände westlich der bestehenden Startbahnen waren neben Vertretern der Bürgerinitiative (BI), Schumacher vom BBU und Landrat W. Blodt. Viele neue Gesichter waren zu sehen. Der „neue Demonstrantentyp" war 103 da (so die Bezeichnung der Bürger durch den Pressesprecher der Frankfurter Polizei im Oktober 1980).

.. der neue Demonstrantentyp
Damit sind all jene Menschen gemeint, die im Kampf gegen die Flughafenerweiterung vereint auftraten. Nicht die aus dem Fernsehen und der „Bild-Zeitung" bekannten langhaarigen Studenten - nein - sondern die Hausfrau, der Rentner, der Schüler, die jungen und alten Bürger derverschiedensten Schichten der Bevölkerung. Frauen der evangelischen Frauenhilfe, Anhänger der ,Jungen Union", Angestellte, Handwerker, Gewerkschafter, Pfarrer, Rentner, Ärzte, Vogelschützer, Naturfreunde, Jagdhornbläser, Jungsozialisten, Selbständige, DKP'ler und viele mehr sind im Flörsheimer Wald dabei, wenn es darum geht, den FAG-Plänen entgegenzutreten. Der „neue Demonstrantentyp", das sind die betroffenen Bürger des Flughafenumlandes, die sich wehren. Der Anblick der gerade erst gerodeten Flächen intakten Mischhochwaldes hatte viele nachdenken lassen. Die „sinnliche Wahrnehmung" dessen, was noch gerodet werden soll, hat wohl bei vielen Bürgern Wut und „Kampfbereitschaft" ausgelöst. Da sich die Zahl der aktiven BI'ler jetzt steigerte, wurde~ nach mehreren Diskussionen der Aufbau neuer „örtlicher BI-Gruppen beschlossen. Neben den monatlichen Plenumssitzungen der Gesamt-BI, die abwechselnd in verschiedenen Orten stattfand, trafen sich die Ortsgruppen in wöchentlichem oder] vierzehntägigem Turnus. Jede der sieben (damals) bestehender Ortsgruppen wählte einen Delegierten und einen Ersatzdelegierten in das BI-Leitungsteam, eine Art geschäftsführender Vorstand.

Sommerdemonstrationen 1979
Während der Sommermonate fanden zwei größere Aktionen gegen den Bau der Startbahn West statt: eine Demonstrationen der Parteienaktionsgemeinschaft Mörfelden-Walldorf und de BI gegen die Flughafenerweiterung am 8. Juli in Walldorf Kundgebung vor dem Rathaus, an der sich etwa 1000 Menschen beteiligten. Die zweite Aktion war ein großes Fest der BI m Grillplatz Mörfelden (26. 8.), bei dem ebenfalls ca. 1000 Besucher gezählt wurden. Um weitere Unterschriften zu sammeln, wurde abwechselnd von verschiedenen BI-Ortsgruppen jeden Sonntag im Mönchbruch ein Info-Stand durchgeführt.

Das erste BI-Info
im September 1979 brachten die Ortsgruppen gemeinsam das erste „BI-INFO" als Reaktion auf das FAG- Blatt „Rund um den Flughafen" heraus. Dieses Informationsblatt, dessen Auflage von 20000 auf mittlerweile 8.0000 angestiegen ist, wird bis heute in unregelmäßigen Abständen herausgegeben und ist quasi das Sprachrohr der BI. Auch der erste Film der BI. „Meint ihr, damit läßt sich der Fortschritt aufhalten?" wurde im September 1979 fertiggestellt. Die Arbeitsgemeinschaft HE Film aus Bischofsheim zeigt in ihrem 25 min. Farbfilm auf, weshalb die von der „Flughafen Aktiengesellschaft" (FAG) gewollte „Startbahn West" von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird.

Erste Gedanken zum Hüttenbau
Bereits seit den Sommermonaten 79 wurde über den Bau einer „BI-Hütte" im Wald auf dem Gelände der geplanten Startbahn West diskutiert, es wurden Pläne gemacht und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Da kurzfristig keine Baugenehmigung von Flörsheim bzw. dem zuständigen Bauamt in Rüsselsheim zu bekommen war, wurde der Bau auf das Frühjahr 1980 festgelegt, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Hütte, auch jahreszeitlich bedingt, zu einem Dreh- und Angelpunkt unserer gesamten Aktivitäten werden konnte. Außerdem war bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, daß im Sommer 1980 eine abschließende Gerichtsentscheidung in Sachen Startbahn West zu erwarten war.

Aktionen im Herbst 1979
Am 27.10. spannten Demonstranten ein Transparent über die Okrifteler Straße in unmittelbarer Nähe des Flughafens. Die Aufschrift „hier endet der demokratische Sektor. .." sollte am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen sein. Auch die „Hessenschau" berichtete über diese spektakuläre Aktion, die 15 Min. dauerte, bis die Polizei eingriff. Am gleichen Tag fand nachmittags eine weitere Demonstration der Parteienaktionsgemeinschaft Mörfelden-Walldorf in Mörfelden statt. Im Gegensatz zum Walldorfer „Schweigemarsch war dieses mal auch ein Lautsprecherwagen im Einsatz. Wichtig an dieser Kundgebung war, daß Rudi Müller, stellvertreten der Betriebsratsvorsitzender A. Opel AG in Rüsselsheim, Solidaritätsgrüße der Opel-Arbeiter überbrachte.

Unser Ziel 30000 Unterschriften
Lange Zeit war es das selbstgesteckte Ziel der BI gewesen 30000 Unterschriften gegen den Bau der Startbahn West zu sammeln. Im Januar 1980 war es soweit gewesen. Als am 2. Februar über 500 Menschen die Protestunterschriften nach Wiesbaden brachten, hielten es die gewählten „Landesväter" nicht einmal für nötig, den Protest entgegenzunehmen. Am 16.1. fand die Fernsehsendung des HR „Politik live" in der Stadthalle Walldorf statt, dabei wurden dem damaligen hessischen Wirtschaftsminister Karry nicht nur zahlreiche kritische Fragen zum Bau der Startbahn West gestellt, sondern er bekam des „öfteren für seine arroganten und nichtssagenden Antworten die „rote Karte" gezeigt.

die rote Karte
Zur Fernsehsendung hatten sich die BI'ler etwas „optisch" wirksames einfallen lassen. Jedesmal, wenn Karry etwas für die Bürger Negatives sagte, hoben alle BI'ler im Saal die mitgebrachten „roten Karten" hoch und pfiffen laut dazu. Die Fernsehleute vom Hessischen Rundfunk nahmen dies anfangs noch gelassen auf, schwenkten die Kamera und brachten den Ton. Als der Saal jedoch immer ungehaltener über Karrys „Sprüche" wurde, kamen die vom Fernsehen ganz schön ins Schwitzen und versuchten, den Bürgern gut zuzureden Die Sendung sollte ja schließlich geordnet „live" über den Äther gehen. Eine Aktion, die man sich für künftige „live Shows" merken sollte!

Der Hüttenbau
Während des Winters liefen alle Vorbereitungen für den Hüttenbau: ein Plan wurde gezeichnet, Holz besorgt, geschnitten und in vorgefertigte Teile zusammengesetzt.
Erst wenige Stunden vor „Baubeginn" erhielten die Ortsgruppen Bescheid: Morgen früh gehts los!
Am 3. 5. 80 gegen fünf trafen sich an die achtzig BI'ler am Waldrand in Walldorf, fuhren zur Lichtung und um sechs werden schon die ersten Stämme geschleppt und zusammengenagelt. Mittags stand bereits der Rohbau der „BI-Hütte", eine zwölfeckige Konstruktion mit über elf Meter Durchmesser. Da alle Arbeiten genau vorbereitet waren und die Zusammenarbeit aller wie am Schnürchen funktionierte, konnte das Widerstandssymbol „BI-Hütte" unbemerkt von FAG und Polizei errichtet werden. Gleichzeitig zu dieser Bauaktion verteilten Mitglieder der Ortsgruppen Flugblätter an die Bevölkerung, die so samstagvormittags auch über den Bau der Hütte informiert wurde.
In den Tagen und Wochen danach besuchten immer mehr Bürger des Umlandes die Hütte und informierten sich. Jede Ortsgruppe beteiligte sich bei der Betreuung der Hütte „rund um die Uhr". Ein Brunnen ermöglichte ab Juni eine Trinkwasserversorgung und gespendete Möbel verschönerten das Innere des Widerstandsbaues.
Mitten im Sommer (22. 7. 80) ordnete der Hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr den sog. „sofortigen Vollzug" des Baues der Startbahn West an. Die Bürgerinitiative und Parteienaktionsgemeinschaft (Mörfelden-Walldorf) riefen zu einer Großkundgebung drei Tage später auf über 3000 Menschen sammelten sich am Mörfelder „Dalles" und protestierten gegen diesen Handstreich aus Wiesbaden. Es war erstaunlich, wie viele Menschen gekommen waren, obwohl die Schulferien begonnen hatten. Die BI legte erstmals Alarmlisten aus, um für d Fall der Räumung bzw. Rodung die Bürger schnell benachrichtigen zu können.
Zu dieser Zeit entstand auch die Idee der Baumpatenschaft Menschen aus dem Flughafenumland kennzeichneten mit einem Papierstreifen „ihren" Baum, um ihn im Falle der Rodung besonders zu schützen. Diese Aktion führte zu einer stark Identifikation bei den „Paten", ihren Baum zu verteidigen.

Beton bemalen
Noch in den Sommerferien kam es zur Aktion: „Bürger bekennen Farbe" an der Betonmauer Okrifteler Straße. Da die Aktion öffentlich angekündigt war, „schützten" ca. hundert Polizist und ein Wasserwerfer den grauen FAG-Beton gegen die freundliche Bemalung durch Startbahngegner. Die mitgebracht Blumen erheiterten die Betonschützer auch wenig, es kam allerdings zu keiner Konfrontation, sondern die etwa 500 Teilnehmer der Aktion gingen nach einem Marsch entlang der FA Mauer wieder zur BI-Hütte zurück. Erstmals 10000 im Wald Doch die nächste Widerstandsaktion folgte bereits am 31. August 1980. Die BI rief zu einer Großkundgebung wiederum a der Düne südlich des Flughafens auf über 10 000 hören auf dieser, bis dahin größten Demonstration, Rednern der BI, eine Pfarrer, Gewerkschafter (ÖTV) und Arzt, zu. Alle Sprecher rufen zu verstärktem Widerstand gegen den Moloch Flughafen auf, da man auch von dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel sich keine Gerechtigkeit mehr verspricht. Mit dem Gerichtsurteil wurde auch die Gefahr größer, daß schon bald c Sägen an die Bäume gehalten werden könnten. Zur Ungerechtigkeitsverkündung des Verwaltungsgerichts in Kassel fährt c BI mit zwei Bussen, um auch dort zu zeigen:

Hungerstreik der Parteienaktionsgemeinschaft
Fünf Tage später (16.10.) beginnt die Parteienaktionsgemeinschaft (SPD, CDU, FDP, DKP) ihren bundesweit bekannt gewordenen Hungerstreik im Rathausfoyer Mörfelden. Tagesschau und viele Zeitungen aus der gesamten BRD berichteten darüber. Kommunalpolitiker, Hausfrauen, Schüler und Studenten versuchten in einer Kette von Hungerstreikgruppen über zwei Wochen, auf das Problem Startbahn West aufmerksam zu machen.

Die ersten Bäume fallen
In dieser Zeit läßt die FAG bereits roden: am 20. 10. 80 kommen einige Holzfäller und beginnen ihr Werk. Proteste der Hüttenbewohner und alarmierter Bürger führen zur vorläufigen Einstellung der Baumfallarbeiten. Spontan treffen sich über 600 Menschen an den gefällten Stämmen und beratschlagen das weitere Vorgehen. Einen Tag später ergeht das schriftliche Urteil aus Kassel. Viele hundert Fahrzeuge von Bürgern des Flughafenumlandes blockieren daraufhin über zwei Stunden die An- und Abfahrtsstraßen des Terminals der FAG. Es kommt zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Viele Zeitungen berichten tags darauf über die erfolgreiche Protestaktion. In dieser Woche fanden noch drei weitere Aktionen statt. 80 Schüler der Gesamtschule Mörfelden- Walldorf fuhren an ihrer Wandertag zur BI-Hütte. In Groß-Gerau und Rüsselsheim fanden jeweils große Schülerdemonstrationen mit über 1000 Teilnehmern gegen den Bau der Startbahn West statt. Am 26. 10. ruft die BI zu einer Wiederaufforstungsaktion für die gefallenen 40 Bäume auf. über 3000 Menschen beteiligen sich daran, es findet dabei auch eine symbolische „Beerdigung der Demokratie" statt.

Polizei rückt an...
Am darauffolgenden Montag erreichte uns die Nachricht, da die FAG unter starkem Polizeischutz mit den Baumfällarbeiten fortfahren will: am Dienstag, den 28. 10. morgens um 5 Uhr so es losgehen. In der Nacht zuvor treffen sich über 3000 Menschen im Wald, in der Hütte und an der Straße, an der wir die an rückenden Polizeitruppen erwarten. Ein großes Gefühl der Solidarität hatte diese vielen Bürger dazu bewogen, die ganze (kühle) Nacht im Wald auszuharren. Als gegen Morgen immer noch keine „grünen Holzfäller" erscheinen, fahren viele nach Haus und auf ihre Arbeitsstellen. Knapp hundert Menschen bleibe zurück und halten Wacht. Gegen Mittag sind die Hundertschaften „auf einmal" da. Sofort wird über Funk Alarm gegeben. Da die Okrifteler Straße gesperrt wurde, kommen alle Bürger die über Telefon oder durch das lange Glockengeläut der ev. Kirchen alarmiert wurden, zu Fuß oder mit dem Rad in de Wald. Lockere Polizeiketten versuchen zunächst, den Holzfällern ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen. Als der Druck der Menschen zu groß wird, errichtet die Polizei Stacheldrahtsperren um das 7 ha Gelände. Viele Menschen stehen mit Tränen in den Augen da oder rennen wuterfüllt durch ihren Wald, der nun Baum für Baum vor ihren Augen zerstört wird. Einzelne Demonstranten klettern auf Bäume oder setzen sich in Gruppen um die Stämme, um dann brutal davongeschleift oder zur Feststellung der Personalien festgenommen zu werden. Diese Auseinandersetzung um jeden Baum wurde zunehmend brutaler. Die Polizisten sind verunsichert durch den „neuen Demonstrantentyp", die Bürger der Umgebung. Die Polizeigewerkschaft ist ja selbst gegen den Bau der Startbahn West! Übermüdet, ohne warme Mahlzeit im Bauch müssen die unsicheren jungen Polizisten die sinnlose Waldzerstörung der FAG verteidigen. Diese Auseinandersetzungen um 7 Hektar Wald (ein ha = 100x100 Meter Fläche) gehen mehrere Tage und Nächte. Polizei sichert die gerodete Fläche mit Natostacheldraht, die FAG errichtet einen leichten Drahtzaun mit Holzpfosten.

14 000 Menschen im Wald !!!
Die Bürgerinitiative und alle anderen Gruppen gegen die Flughafenerweiterung rufen für den darauffolgenden Sonntag zu einer Demonstration auf, die alle Dimensionen sprengen sollte. Am 2. 11. 80 sammeln sich über 15 000 Menschen am Waldrand in Walldorf. Nach kurzer Kundgebung marschieren diese zur Hütte und dem Zaun, auf dessen anderer Seite die Polizei mit Wasserwerfern und vielen hundert Mann steht. Die Menschen marschierten über 1 Stunde, sammeln sich zu einer Kundgebung rund um die Hütte und viele stehen am Zaun, den viele gerne umgestoßen hätten. Die Polizei reagierte nervös, filmte, schoß mit Tränengas aus wenigen Metern Entfernung wahllos in die Menschenmenge. Doch die Bürger lassen sich nicht provozieren. Ein Fackelzug nach Walldorf beendet die größte Demonstration der BI. Vier Tage später (6.11. 80) demonstrieren 6 000 Menschen in Wiesbaden gegen die Waldvernichtungspläne der FAG, während eine Gruppe von Bürgermeistern der Flughafenanrainergemeinden mit Ministerpräsident Holger Börner verhandelt. Fazit: sie werden gehört, doch ändern werde sich nichts an der Position der Landesregierung. Auswirkungen auf die Parteien Die Breite des Widerstands und die vielfältigen Aktivitäten der BI blieben nicht ohne Auswirkungen auf die etablierten Parteien, insbesondere auf die SPD: allein in Mörfelden-Walldorf sind über 100 Mitglieder aus der Partei ausgetreten und d SPD-Spitzenkandidat der Frankfurter Kommunalwahl, Martin Berg, forderte damals die Denkpause in Sachen Startbahn West Der SPD-Parteitag Hessen/Süd ging am 16.11.1980 auf seiner Versammlung in Gießen-Allendorf noch einen Schritt weite Er forderte die Landesregierung auf, „einen unnötigen Bau d, Startbahn West zu verhindern" und setzte sich für eine Anhörung zu diesem Thema vor dem hessischen Landtag ein.

Aus der Hütte wird das BI-Dorf!
In diesen Novemberwochen ist das „Dorf" entstanden. Bis zur zugespitzten Situation stand neben der BI- Hütte noch ein Baumhaus der Jusos. Als die vielen Menschen übernachteten wurde klar, daß mehrere Hütten notwendig sein werden, um den gewachsenen Widerstand unterzubringen. In wenigen Tagen entstanden so zig Hütten, von Schülern, Verbänden, Ortsgruppen und Parteigliederungen errichtet. Heute (Juli 1981 stehen ca. 60 Hütten im Widerstandsdorf.

BBU-Kongreß in Mörfelden - Flörsheimer Waldverkauf
Der Dezember 1980 stand ganz im Zeichen von zwei Ereignis sen: dem Bundeskongreß des BBU vom 5. - 7.12. in Mörfelder mit einer bundesweiten Großdemonstration in Rüsselsheim und dem Waldverkauf der Stadt Flörsheim an die FAG.
Die ordentliche Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) war kurzfristig vor Karlsruhe nach Mörfelden verlegt worden, um die Bevölkerung in dieser Region und die BI gegen die Flughafenerweiterung in ihrem Kampf gegen die Startbahn West zu unterstützen.
Zu einem „bundesweiten Sternmarsch", der dokumentieren sollte, daß die Startbahn West kein regionales Problem ist, sondern unser Widerstand im ganzen Land Sympathie und Unterstützung findet, versammelten sich am Sonntag, dem 7.12., ca 15 000 Menschen auf den Mainwiesen in Rüsselsheim. Die bundesweite Unterstützung wurde insbesondere durch zwei Redner der Flughafen BI's in Stuttgart und München dokumentiert, die neben Sprechern des BBU, der BI und des Opel-Betriebsrates auftraten
Während des BBU-Kongresses hatten Vertreter der drei anwesenden Flughafen-BI's eine stärkere Zusammenarbeit vereinbart, die mittlerweile durch Arbeitstreffen in Hannover, Stuttgart und München und ein gemeinsames Flugblatt konkretisiert wurde.
Das zweite Ereignis im Dezember war der geplante Waldverkauf der Stadt Flörsheim an die Flughafenaktiengesellschaft. Damit entstand eine unmittelbare Gefahr für das Hüttendorf, welches im Flörsheimer Waldgebiet errichtet wurde. War bereits der Bau der BI-Hütte im Mai „illegal" gewesen, aber geduldet, so verschärfte sich die Situation Anfang Dezember 1980 durch den Waldverkauf der Stadt Flörsheim. Der Wald, auf dem die Startbahn West gebaut werden soll, gehört drei Städten: Rüsselsheim, Bischofsheim und Flörsheim. Taktik der FAG war es, möglichst schnell dieses Gelände zu ihrem Eigentum zu machen. Mit einer horrend hohen Summe schafft es dann die FAG die CDU-regierte Stadt Flörsheim zu „kaufen": für über 20 Millionen eignet sich der Flughafen das Gelände an, die CDU Stadtverordneten stimmen dem in einer polizeigeschützten Sitzung zu. Die SPD-Stadtverordneten nahmen nicht an dieser Abstimmung teil.
Die gesamte BI hatte in den Tagen vor dieser Stadtverordnetenversammlung eine Unterschriftensammlung bei Flörsheimer Bürgern gegen den Waldverkauf durchgeführt. 3800 von 9000 wahlberechtigten Bürgern trugen sich in die Listen ein. Ca. 4000 Menschen aus dem gesamten Rhein- Main-Gebiet demonstrierten am Vorabend der Stadtparlamentssitzung mit einem Fackelzug gegen die Waldverkaufsabsichten der CDU Flörsheim, die sich allerdings nicht von diesen Aktivitäten beeindrucken ließ. Nach diesem Massenprotest zeichnete sich immer mehr ab, daß die SPD / FDP-Landesregierung versuchen wurde, mit einer Anhörung ihre Positionen zu untermauern. Weite Teile der hessischen SPD forderten diese Anhörung, um die Ende 1980 aufgetauchten Gutachten, Stellungnahmen etc. mit in die Entscheidung einzubeziehen. Das Hearing wurde daraufhin von verschiedenen Landtagsausschüssen angesetzt und sollte zu einer Mammutshow für die FAG ausarten. Während die BI und die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Flughafenerweiterung sich mit Papierbergen auf dieses Hearing vorbereitete, fanden im BI-Dorf viele Aktivitäten statt. Dichterlesungen, Diskussionen, Musikabende, Wochenenden mit Kaffee und Kuchen.

Feuer im Widerstandsdorf
Am 16. Dezember brach morgens ein Feuer aus, welches das Schlafhaus, die Sanitätshütte und das Baumhaus der Jusos zerstörte. Ob bei diesem Feuer Brandstiftung oder Fahrlässigkeit im Spiel war, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Weihnachten und Silvester kamen viele Startbahnwestgegner, um gemeinsam mit den Dorfbewohnern zu feiern. Auch als viel Schnee lag und die Temperaturen unter Minus zehn Grad fielen, hielten es die Dorfbewohner aus und der Besucherstrom riß nicht ab. Fast jedes Wochenende kamen weit über tausend Menschen in den Wald, um ihre Solidarität zu bekunden.

Anhörung im Landtag - Kasperletheater?
Im Januar 81 fiel dann die endgültige Entscheidung der BI, am Rechtfertigungs-Hearing der Landesregierung teilzunehmen. Alle anderen Umweltschutzverbände hatten zugesagt, so daß das Fehlen der BI schwer zu erklären gewesen wäre. Die Anhörung vom 2.-5. Februar 1981 im Hessischen Landtag wurde durch geschickte Verhandlungsführung der Landtagsabgeordneten manipuliert. So bestand keine Möglichkeit der Diskussion bzw. Fragen zu stellen. Die „Angehörten" durften immer nur auf Fragen antworten, wurde diese nicht gestellt, fielen Tatsachen und Argumente gegen den Bau unter den Tisch. Die Farce dieser Veranstaltung wurde noch durch eine weitere Aussage gestützt: der damalige Hessische Wirtschaftsminister Karry hatte vor Beginn erklärt, daß, egal wie dieses Hearing ausgehen würde, die Startbahn West gebaut würde. Damit war eigentlich schon vorher klar, daß die Landesregierung sich einen Dreck um die dort genannten Argumente kümmern würde. Die Regierungserklärung drei Wochen später bestätigte dies. Weder das geforderte gesamtökologische Gutachten, noch die falschen Prognosen bzgl. der Starts und Landungen auf Rhein / Main wurden beachtet. Mit falschen Zahlen zur Arbeitsplatzentwicklung in Süd-Hessen und auf dem Flughafen versuchte Börner, den Gegnern der Umweltzerstörung Angst zu machen und die Abgeordneten hinter sich zu bringen. Mit blanker Arroganz und der Selbstzufriedenheit eines Landesfürsten versuchte Börner, seine Umweltfeindlichkeit zu überdecken.

Die Auswirkungen auf die Kommunalwahlen...
Bei den Kommunalwahlen im März 1981 bekamen alle etablierten Parteien, insbesondere aber die SPD, dafür die Quittung. Grüne und Alternative Listen zogen überall dort, wo sie kandidiert hatten, in die örtlichen Parlamente ein. Im Zentrum des Widerstands erhielten Grüne Listen bis zu 25% der Stimmen (Mörfelden-Walldorf und Büttelborn). Im Kreistag von Groß-Gerau haben die Grünen nun 12 Mandate (ca. 12 %).

Der Widerstand geht weiter...
Nach Auswertung des Hearings und der Kommunalwahl setzte die BI ihren Widerstand gegen die Startbahn West auf zwei Ebenen fort. Zum einen wurden Maßnahmen gegen die Bauarbeiten der FAG beschlossen, die Alarmpläne überarbeitet und praktische Widerstandsformen diskutiert und geübt. Zum anderen haben die Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung und die wichtigsten Hessischen Naturschutzverbände ein Verfahren nach Artikel 116 und 124 der hessischen Verfassung auf Volksbegehren und Volksentscheid „Keine Startbahn West", beschlossen. Um dieses Vorhaben zu realisieren, wurde am 30. Mai 1981 in Rüsselsheim die „Arbeitsgemeinschaft Volksbegehren" gegründet, sie wird von folgenden sechs Organisationen getragen:

1. Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Rhein
2. Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz
3. Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)
4. Hessische Gesellschaft für Ornithologie u. Naturschutz
5. Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV) Landesverband Hessen
6. Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Volksbegehrens

Unterstützt wird dieses „Volksbegehren" mittlerweile von über 150 Organisationen, Gruppen, Einzelpersonen und Parteien aus ganz Hessen sowie zahlreichen Prominenten und Künstlern aus dem In- und Ausland.
Die Unterschriftensammlung wurde mit einer großen Auftaktveranstaltung, bei der u. a. die Rockgruppe „bots" vor 4 000 begeisterten Menschen spielte, am 2. Juni begonnen und ist mittlerwelle hessenweit in Gang gekommen.

Volksbegehren und gewaltiger, gewaltfreier Widerstand am Tag X
Die immer größer werdende Ablehnung der umweltfeindlichen Politik der hessischen Landesregierung wird durch den gewaltfreien, aber gewaltigen Widerstand am Tag X (Hüttendorfräumung und Baubeginn) und das Volksbegehren / Volksentscheid „Keine Startbahn West" dokumentiert. Beide Formen des Widerstands gehören zusammen und werden von der Burgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung entschlossener denn je genutzt, um der Demokratie in Hessen endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Bis zum Ende dieses Jahres (1981) sind dies die beiden wichtigsten Schritte, um die Erweiterung des Flughafens Frankfurt (M) zu stoppen.